Montag, 14. Oktober 2013

"Warhol / Basquiat" Vorwort aus dem Ausstellungskatalog von Ingried Brugger


Andy Warhol und Jean-Michel Basquiat

Simultanes Genie im Dienste des Zeitgeistes


Die Zusammenarbeit von Andy Warhol und Jean-Michel Basquiat markiert eine
Sternstunde in der Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Als die beiden
aufeinander trafen, war Warhol längst eine Ikone der internationalen Kunst: der
König unter den Pop-Artisten, deren Kunst in den 1960er-Jahren einen
Paradigmenwechsel eingeläutet hatte, der exzentrische Star und Herrscher über
die Factory – der Sehnsuchtsort so vieler damaliger junger Künstler. Auch für
Basquiat, das überbegabte Kind von der »Straße«, Vertreter einer Subkultur, für
die das schicke New York der damaligen Zeit so empfänglich gewesen ist, war
Warhols Factory »the place to be«.



Bruno Bischofberger – nicht nur genialer Kunsthändler, sondern vor allem auch
Entdecker und Erfinder – ist es gewesen, der Basquiat und Warhol
zusammenführte, bereits mit dem Plan zu den Collaborations im Kopf, wohl
wissend um die prinzipielle Bereitschaft beider zu einer Zusammenarbeit. Die
Factory ist die logische Konsequenz einer Pop-Philosophie. Warhols Factory-
Gedanke speist sich aber auch aus der Biografie eines Solisten auf der ständigen
Suche nach einem Orchester; aus der Suche nach Freundschaften und
Lebensformen, nicht zuletzt auch, um die eigene Karriere zu beflügeln. Als
Basquiat im Herbst 1982 das erste Mal in die Factory kam, war Warhol die
Zusammenarbeit mit jungen Künstlern geläufig und als Konzept erprobt. Die
vorerst im Dreierpack (mit Francesco Clemente) entstandenen Arbeiten bedienen
dieses Konzept auf hervorragende Weise. Die in Folge gemeinschaftlich im
Atelier von Warhol und Basquiat erzeugten Bilder hingegen unterlaufen jede
noch so vermeintlich geplante wie kalkulierte künstlerische Zusammenarbeit.
Diese 1984/85 entstandenen Collaborations führen zu einer Explosion des
künstlerischen Ausdrucks, mit dem wohl beide nicht gerechnet hatten: ein
Glücksfall, wie könnte man es anders beschreiben.





Basquiats Aufstieg war kometenhaft, und er dauerte kurz. Gehypt von der Szene,
bis zur Erschöpfung gepusht vom Kunstbetrieb, war dem jungen Maler das
Scheitern an der Hysterie um seine Person wie ein Stempel aufgedrückt. Julian
Schnabels Kunstfilm BASQUIAT schildert dies in berührender Weise. Was muss
Basquiat die Zusammenarbeit und Freundschaft mit dem großen Warhol bedeutet
haben? Das gemeinsame Malen, die Fotosessions, die Besuche im Fitnessstudio
etc.? Der Graffiti-Style und die Anleihen aus der Subkultur in Basquiats Bildern
sind ja nicht authentisch erzeugte Produkte eines naiven Künstlers. Vielmehr
speisen sie sich aus einem bewusst kalkulierten Primitivismus, der stets auch
gefiltert wurde durch das aktuelle Kunstgeschehen: Jean-Michel Basquiat erfuhr
seine Sozialisation als Künstler nicht zuletzt durch Andy Warhol. Die
Collaborations formulieren einen Höhepunkt des künstlerischen Vermögens
innerhalb seiner leider so kurzen Karriere. Und Warhol? Betrachtet man die
Collaborations, so ist eines zuerst auffällig: Auf dem Bildfeld ist ihm der junge
Kollege gleichwertig. Die Collaborations geben Warhol die Lizenz, auf seine
eigene Kunst der 1960er- und 1970er-Jahre zurückzugreifen, auf einen Motivund
Erfahrungsschatz, auf den der Künstler in den Jahren vor Basquiat stärker
verzichtet hatte. Die Zusammenarbeit führt Warhol zu einer
Experimentierfreudigkeit und in dialogische Bereiche, die auf sein gesamtes
späteres Werk abfärben.

Jean-Michel Basquiat, Andy Warhol Bananas, 1985 (Detail)


Die Ausstellung stellt diese großartigen Collaborations in den Mittelpunkt;
ergänzt werden sie um ausgesuchte individuelle Werke beider Künstler, die die
Collaborations in neuem Licht erscheinen lassen und vice versa. Auch für das
ausstellende Museum ist eine solche Schau ein besonderer Glücksfall. Ein
Glücksfall, der nur zustande kommen konnte durch die gro.zügige Unterstützung
und freundschaftliche Hilfe von Bruno Bischofberger, der damit im doppelten
Sinn zum Spiritus Rector der Ausstellung geworden ist.

Wie immer bin ich unseren Sponsoren Bank Austria, Signa, UniCredit Leasing,
Ergo, Schöllerbank, Pinoneer, card complete sowie bei unseren Medienpartnern
Infoscreen, Falter, Die Presse, Ö1, thegap und vienna online zu großem Dank
verpflichtet.

Ingried Brugger




Warhol * Basquiat
Ausstellungskatalog
Hrsg. Ingried Brugger, Florian Steininger
Kehrer Verlag Heidelberg

mit Beiträgen von
Bruno Bischofberger
Verena Gamper
Keith Hartley
Wolfgang Lamprecht
Lisa Ortner-Kreil
Florian Steininger

EUR 29,00








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