Freitag, 29. August 2014

Hoffnungslos Verliebter verursacht Vulkanausbruch

Ein Streifzug durch Johannes Brahms Streichquartett in a-moll mit Robert Nagy
















Neben dem solistischen Musizieren spielt beim Musikforum Trenta die Kammermusik eine große Rolle. Jeden Nachmittag wird geprobt, der Unterricht mit den Lehrenden findet dann in den frühen Abendstunden statt. Die Zusammenstellung der einzelnen Ensembles schnapsten sich die vier Wiener Philharmoniker und Pianist Andreas Rentsch untereinander aus, wobei es durchaus heiß herging, wie mir ein anonym bleibender Professor am ersten Abend verriet: "Ich wollte unbedingt diesen jungen Herren im grünen Hemd, aber er wurde mir weggeschnappt!" Am Ende einigte man sich gütlich und es wurden fünf ausgewogene Streicherquartette zusammengestellt. Von etwaigen Besetzungsproblemen ist bei der ersten Probe des Ensembles von Robert Nagy auf jeden Fall nichts mehr zu spüren. 
Gulia, Nejc, Alexandra, Robert Nagy und Lucija
Sehr intensiv wird am Streichquartett in a-moll Op.51/2 von Johannes Brahms gearbeitet - eine der absoluten Lieblingskompositionen von Nagy, wie er gleich zu Beginn verrät. Obwohl es die erste musikalische Begegnung der vier jungen MusikerInnen ist, ist der Gesamtklang bereits sehr ausgewogen, daher kann sich Herr Nagy ganz der Interpretation widmen ohne sich lange mit technischen Details aufhalten zu müssen. Ähnlich wie Peter Götzel arbeitet auch er stark mit Assoziationen. Nichts versinnbildlicht für ihn dieses Quartett besser als die Beziehung zwischen Brahms und Clara Schumann.
Alexandra, Lucija und Robert Nagy, Robert Nagy
Mit 20 Jahren verliebte sich der Komponist "lebenslänglich" in die 14 Jahre ältere Clara Schumann. Sie war die Frau seine Mentors Robert Schumann, Starpianistin, Komponistin und nicht zuletzt eine sehr aparte Erscheinung. Es folgten jahrelanger Briefkontakt in denen beide aus ihrer Zuneigung keinen Hehl machten. "Haben sie oder haben sie nicht?" - diese typische Yellow-Press-Frage quält seit damals die Musikhistoriker und wird wohl nie endgültig beantwortet werden können. 
Wenn man der Lesart von Robert Nagy folgt, dann sind viele Hinweise in den Noten verpackt: "Diese unglaubliche Intensität - da ist die Clara Schumann drinnen versteckt!" Wohl wahr, im ersten Satz des Quartetts spürt man eine große Sehnsucht, ein Gefühl das lebensbestimmend für Brahms war und das beim Komponieren dieses Stückes aus ihm herausbrach. Der Solo-Cellist der Wiener Philharmoniker bringt es mit einer Metapher auf den Punkt: "Da waren 4000 Erdbeben und jetzt bricht ein Vulkan aus!" Im Laufe der Jahre kam es mehrmals zu solchen Gefühl-Eruptionen bei Brahms, doch im Grunde hatte er sich schon früh für ein Leben alleine entschieden, an seiner Seite nur die Musik. Auch dieses Spannungsverhältnis zwischen Kopf und Herz, Selbstbestimmheit und Geborgenheit ist im Opus 51/2 eingewoben: Die immer wiederkehrende Tonfolge f-a-e steht für "frei aber einsam", das Lebensmotto von Joseph Joachim. Joachim war nicht nur einer der berühmtesten Geiger des 19. Jahrhunderts (bis heute unvergessen durch die von ihm komponierten, noch immer gespielten Kadenzen vieler Solokonzerte) sondern auch einer der engsten Vertrauten von Johannes Brahms. Ursprünglich wollte Brahms seinem Freund und emotionalem Leidensgenossen auch das Stück widmen, entschied sich am Ende des schwierigen, jahrzehntelangen Entstehungsprozess jedoch für den Wiener Arzt Theodor Billroth. 
Von der hohen Qualität der Komposition trotz der mühsamen "Zangengeburt"(© J.Brahms) kann man sich beim morgigen Ensemble-Konzert in der Kirche von Bovec überzeugen. 

Aus Trenta: Magdalena Hiller


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