Freitag, 28. November 2014

Plakatieren erlaubt!

An einem sehr sonnigen November-Sonntag versammelten sich im Kunstforum Wien zehn Kinder und Jugendliche um gemeinsam mit Kunstvermittlerin Stefanie Sentall die Kunstfertigkeit Henri Toulouse-Lautrecs genauer zu erkunden. 




Kunstauststellungen können, vor allem für junge BesucherInnen, frustierend sein: Man ist in der Rolle des Bewunderers gefangen, kein Farbtopf weit und breit, mit dem man seine eigene Kreativität ausdrücken kann und am Schluss bleibt immer die Frage: Wie zur Hölle hat er das jetzt eigentlich genau gemacht?

Nun, diese Frustrationen sind komplett zu vermeiden, indem man einen der Workshops im Kunstforum besucht. Großartige Kunst wird hier nicht nur im kunsthistorischen Kontext betrachtet, sondern vor allem als Anschauungsobjekt für eigene Arbeiten betrachtet.
Bei jeder Ausstellung lässt sich das Kunstvermittlungs-Team rund um Leiterin Mag. Andrea Zsutty etwas Spezielles einfallen.
Bei der Warhol-Basquiat-Ausstellung Anfang dieses Jahres widmete man sich der Stencil-Technik, bei Henri Toulouse-Lautrec ist es nun die Lithografie. Lithografie? Ja, das ist einer dieser Begriffe die man schon hundertmal gehört hat und die trotzdem ein böhmisches Dorf geblieben sind. Sogar der studierte Kunsthistoriker neben mir murmelte bei der Ausstellungseröffnung nur hilflos "…irgendwas mit Druck?". Nun ja, sehr verkürzend dargestellt stimmt das ja auch. 

Abmalen vom Meister, Kunstvermittlerin Stefanie Sentall, Spaß machen tut es auch noch!
Genauer gesagt handelt es sich um einen Stein-Flachdruck, der auf der simplen Beobachtung beruht, dass Fett und Wasser sich abstoßen. Bearbeitet man eine Oberfläche (in der Regel eben Stein) mit fetthaltiger Farbe und übergiesst den Rest mit Wasser, bevor man das ganze Bild in Ölfarbe taucht, so kann diese nur auf den fettigen, das heisst farbigen, Stellen kleben bleiben. Klingt bisschen kompiziert  und das ist es auch. 
Und doch bedeutete dieses Verfahren, das Ende 18. Jahrhunderts von Alois Senefelder in Deutschland entwickelt wurde eine bedeutende Erleichterung im Vergleich zum damals gängigen Hoch- und Tiefdruck, bei welchen man in Holz- oder Kupferplatten das gewünschte Motiv mit großer Anstrengung einritzen musste. 
Die neue Technik führte dazu, dass Druck erstmals auch für Klein- und Mittelbetriebe leistbar wurde und die Straßenzüge in den Städten von oben bis unten zuplakatiert wurden. Als dann um 1840 in Frankreich auch noch die Farblithografie erfunden wurde, gab es kein Halten mehr: Die Straßen waren plötzlich kunterbunt tapeziert  Farbexplosion!
Und somit wurde es immer schwieriger für die werbungstreibenden Unternehmen aufzufallen. Das war auch dem 1889 eröffneten Nachtclub Moulin Rouge ein Dorn im Auge und so schasste es den bisherigen Plakat-Gestalter Jules Chèret und übergab einem Stammgast des Etablissements, dem 27-jährigen Henri Toulouse Lautrec die Federführung. Schon sein erstes Plakat (und seine erste Lithografie überhaupt!) "La Goulue" revolutionierte 1891 die Marketingbranche: Durch die radikale Vereinfachung der Bildsprache  große Farbflächen, wenige Figuren, klare Schrift   schaffte es Toulouse-Lautrec im hastigen Paris die Botschaft an den Mann zu bringen und kein Missverständnis bezüglich der Frage aufkommen zu lassen, wer denn nun die besten Tänzerinnen am Montmartre hatte.  
Zweckentfremdung Alu-Folie, Zweckentfremdung Cola, eine der fertigen Litographien

All diese Hintergründe erfuhr man beim "theoretischen Teil" des Workshops, beim Gang durch die Ausstellungsräume. Mit Stift und Klemmbrett bewaffnet holten sich die Kiddos anschließend Inspiration vom Meister persönlich. Im Atelier des Kunstforums machte man sich schließlich an den praktischen Teil des Tages: Selbst lithografieren! Das war eine ziemliche Patzerei und ein großer Spaß. Nachdem Specksteine, doch eher schwierig zu beschaffen sind, bediente man sich eines vereinfachten Litho-Verfahrens, und das geht so: Am Anfang spannt man ein Stück Alufolie um ein Stück Karton, bemalt diese mit Ölkreide, übergiesst es mit Cola, hält es unter Wasser und bestreicht es zuguter letzt mit Ölfarbe um es dann auf ein Papier seiner Wahl zu drücken.
Cola? Ja, Cola! Die darin enthaltene Phosporsäure verhindert nämlich, dass die Farbe an den unfettigen Stellen hängen bleibt. (Und führte weiters zum Überdenken des eigenen Softdrink-Konsums bei einigen TeilnehmerInnen.)
Größte Herausforderung stellte anfangs die Motivwahl dar: Flugs führte Stefanie Sentall höchst effektive Kurzbefragungen durch: Was ist dein Lieblingstier? Affe! Was machst du gerne? Radfahren! Aus dieser Schnellberatung resultierte ein besonders gelungener Druck mit einem, erraten?, radfahrenden Affen. 
Überhaupt entstanden nach dem ersten Zögern und einigen Fehlschlägen (spiegelverkehrt schreiben ist nämlich garnicht so leicht - wie man auch am verkehrten Accent im Headerbild sehen kann…) die vielfältigsten Kreationen: Partyeinladungen, Modezeichnungen, politische Aufrufe… am Ende hätte man ruhig noch ein Stündchen anhängen können, da waren sich die jungen MuseumsbesucherInnen einig!


Der nächste "Plakatieren erlaubt"-Workshop 
für Jugendliche ab 12 Jahre findet am 16. Jänner statt. 
Genauere Infos hier.

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