Im Zuge der
Vorberichterstattung zu den amerikanischen Präsidentschaftswahlen kursierte in den
sozialen Medien ein Videoschnipsel
des Philosophen Slavoj Žižek. Darin äußerte er unverhohlen, er würde ganz
bewusst nicht Hillary Clinton wählen, da Trump ein Schaumschläger sei, aber
seine Dystopien sowieso nicht umsetzbar wären. Die Ernennung des
perückentragenden Republikaners beherberge zumindest die theoretische Chance,
eines tiefergreifenden Umschwungs in der amerikanischen Demokratie. Auch im
empfehlenswerten Louie CK Drama Horace and Pete, vertritt ein Stammgast eine
ähnliche Meinung (Lets get this shit over with). Natürlich zielen beide – damals
noch hypothetische – Aussagen auf die Bulls-Eye Provokation – Amerika steht nun
allerdings wirklich vor der Situation, ein nicht witziges aber komisches
Mischgewächs aus Misogynie, Phrasendrescherei und Tatsachenverdrehertums als
staatliches Aushängeschild zu führen. Und die Umsetzbarkeit im Žižek-Sager wird
sich auch erst zeigen, schließlich bildete sich in beiden Entscheidungshäusern
eine republikanische Mehrheit.
Wie kommt es nun zu solchen Phänomenen, dass jemand wie Donald Trump es schafft, so viele Menschen zu überzeugen? Der Bank Austria Salon im alten Rathaus bewies diesmal ein ausgezeichnetes Gespür für Aktualität bei der Themenwahl und Qualität des Dialog-Kaders und führte weg von relativ zähem Suderantentum am Stammtisch zum Demokratie-Diskurs in den Barocksaal der alten Wiener Mairie. Wer die Runden verfolgt, weiß natürlich, dass es konsequenterweise nur einen geben kann, der diesen Salon moderiert: Fred Luks. Als Gäste waren diesmal Ulrike Guérot und Ingolfur Blühdorn bestellt. Beide Professoren – Erstgenannte in Krems an der Donauuniversität, Zweiterer an der Wirtschaftsuniversität Wien – deren intellektuelle Epizentren um Entwicklung und Erforschung des Demokratie-Begriffes kreisen und die in diesen Gebieten auch publizieren.
Demokratie wird
eben neben den eingangs erwähnten Philosophen und Beisl-Stammgast nun halt auch
von Professoren mitgetragen. Laut Blühdorn werden AFD und FPÖ eben nicht nur
von den Globalisierungsverlieren, sondern auch von Menschen in der
mittleren Gesellschaftsschicht gewählt. Was aber alle Schichten ausnahmslos nutzen, sind die sozialen Medien, weil ja jeder überall mitmachen darf (Albtraum
Partizipation nennt das Markus Miessen). Im letztwöchigen Falter-Aufhänger
bemühte sich Chefredakteur Florian Klenk einen Hassposter ausfindig zu machen
und zu untersuchen, wie eine politische Sensibilisierung zu einer
Radikalisierung aufflackern konnte und sich schließlich der „Anzünden“-Sager
aus der Tastatur-Pistole löste. Ein Teil der Conclusio war, dass eben kein
klassischer Globalisierungsverlierer diesen Post per Social Media absetzte. Es gibt
sie natürlich, die Schattenseiten der sozialen Netze abseits von
Instagram-Belichtungseinstellungen. Unsere Gesellschaft wird neuerdings gerne
als postfaktisch beschrieben. Eduard Kaeser formuliert in seinem sehr empfehlenswerten NZZ-Kommentar die Brücke zum Internet folgendermaßen:
„In der digitalen Welt wäscht ein Permaregen der Informationen ganz zentrale
Standards wie Objektivität und Wahrheit aus. Die Folge: eine Demokratie der
«Nichtwissenwollengesellschaft»“.
© Tonight with John Oliver |
Auch der
Falter-Artikel gelangt paraphrasiert zum Urteil, die derzeitigen politischen
und sozialen Phänomene (Wahlsieg Donald Trumps, das überlaufende
Hate-Speech-Fass, die Kluft zwischen den österreichischen
Bundespräsidenten-Lagern und der überhandige Populismus) seien zu großen
Kuchenstücken nur mit Hilfe dieses Postfaktismus erklärbar. Google und Facebook
wählen die Nachrichten aus, die wir klicken (sollen). Fakten sind überholt.
Circa 60 Prozent der Amerikaner beziehen ihre News über Facebook. Dort also, wo
die Verbreitung von Unwahrheiten für eine gute Klickbarkeit die Wahrheit
opfert. John Oliver karikiert in seiner seiner grandiosen 2016-Abschluss-Sendung ebenfalls genau diese Phänomene. Selbst Trump
beruft sich bei seinen geposteten Hass-Statistiken direkt auf das korrektivlose
Internet. Die Wahrheit ist zweitrangig. Und genau dieses Versprechen von Utopien
via Unwahrheit sieht Guérot problematisch. Wenn es Auswege geben sollte, dann sollten
diese auch durchführbar sein.
Hinter den
gewieften Social Media Algorithmen steckt sowieso nur die Geilheit auf den
monetarisierbaren Klick. Dieses System betrifft sowohl die „linken
Turboromantiker“, die klatschend am Bahnsteig Flüchtende empfangen (Falter vom
9.11.) als auch die, der Einfachheit halber oft plump als Rassisten
abgestempelten Norbert Hofer-Jünger. Ähnlich wie in Treibsand versinkt man bei
der Informationsbeschaffung immer mehr im Social Media-Sand. Der rettende
Stecken, der ja nur sein kann, sich auch abseits seiner Komfort-Medien und gar nicht
so bunt schillernden Filter-Bubbles Informationen zu gönnen, fehlt. Auch
Blühdorn ruft zur Selbstverantwortung auf: „Eine Demokratie ohne Denkfähigkeit,
auch des Wählers, ist undenkbar“.
Generell fußt
Demokratie ja auch auf dem Prinzip der Machtaufteilung. Ein Grundprinzip,
welches die amerikanischen Superkonzerne, also die höchstkonzentriertesten
Ballungszentren der Macht, ja irgendwie gar nicht so gut finden können.
Insofern ist es nur konsequentes demokratisches Handeln jeglicher Couleur sich
gegen vorgefertigte Nachrichten ein wenig zu verwehren und das ein oder andere
nicht per Google und Wikipedia auf seine Richtigkeit zu prüfen – Wenn alle
digitalen Stricke reißen auch per Buch. Oder wie Guérot abschließend Camus paraphrasiert:
Das Einzige was Jede/r tun kann ist selbst versuchen anständig zu handeln.
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