Myanmar – oder das Warten auf den Sonnenuntergang
Um es gleich vorweg zu
schicken -– wir haben ihn dann doch 'gefunden'! Aber unsere Geduld wurde auf
eine harte Probe gestellt. Denn alle im Programm einer jeden Myanmar-Reise
vorgesehenen Sonnenuntergänge fanden nicht statt. Fehlanzeige in Bagan ebenso wie
auf dem Mandalay Hill und am Inle See. Entschädigt wurden und werden wir nun
allabendlich am Ngpali Beach, wo sich der Himmel Kilometer weit rot verfärbt,
sobald die Sonne im Meer versunken ist. Wir müssen nur noch die Abstimmung mit
der Happy Hour des Hotels verbessern, dann passt alles.
Sehr viel mehr Action
gibt es am ewig langen Sandstrand, den Barbara morgens laufend erobert,
nicht und das ist auch gut so. Denn Augen, Nase und Seele brauchen Zeit,
um die unglaublich vielen Eindrücke der letzen 1,5 Wochen zu verarbeiten.
Der Einstieg in Yangon – immerhin rd. 6 mio Einwohner – war heftig. Statt 'Schonkost' in Form eines
Besuchs der , die – mitten in der Stadt gelegen – dennoch ein Ort der
Ruhe ist, ging es gleich in die engen Gassen von Chinatown und Little India:
Markt an allen Ecken und Enden, der natürlich wenig mit unserem geordneten
Marktleben zu tun hat. Die Frage, ob man hier als Standler auch Essen anbieten
darf, stellt sich wohl nicht.
Was wir in den Gassen
auch zum ersten Mal erlebten, war der 'typische Myanmar-Geruch': leicht
säuerlich mit intensiver Fischnote. In fester Form lernten wir das dann als
einer Art Fischsoße kennen. Im Gegensatz zu unserem Fahrer, der mit seinen
geschätzten 1,55 cm einen mehr als gesegneten Appetit hatte, hielt sich unsere
Begeisterung aber in Grenzen.
An den Kolonialbauten
hat der Zahn der Zeit ganz ordentlich genagt. Rule Britannia ist eben doch
schon eine Weile her. Offensichtlich sind sie vom umfangreichen
Donatoren-Prinzip, das das Land doch ein Stück weit zusammenhält, ausgenommen.
Ganz anders schaut es da mit den Pagoden aus. Wir haben sehr schnell
aufgehört, die vielen Spendenboxen, die in und um die Pagoden herumstehen, zu
zählen, man kommt eh nicht nach. Das Ausrufen von Spendenmöglichkeiten hat uns
persönlich auch nicht weitergerbracht. Denn unsere Kenntnisse der Landesprache
dümpeln immer noch bei 'minga la ba' (hallo, guten Tag) und 'jesuba' (danke)
herum. (Aber das beherrschen wir immerhin mit einem – fast schon perfekten burmesischen Lächeln, ohne das hier 'gar nichts geht'.).
Das Spendenprinzip ist
übrigens wirklich beeindruckend. Man möchte fast sagen "clever
gemacht" vom Buddhismus. Jeder trägt etwas bei, auch der kleinste
Reisbauer. Schließlich geht es darum, im nächsten Leben ein besseres Los zu
ziehen als im jetzigen. Und wer kein Geld hat, kann immer noch beim Putzen der
Pagode helfen – bevorzugt die Tier-Tempel, die den eigenen
GeburtsTAG markieren. Das Angebot reicht von Ratte über Meerschwein,
Drachen bis hin zum Elefanten – mit (Mittwoch morgen) oder ohne (Mittwoch
nachmittag) Stoßzähnen. Also ein Paradies für Barbara und ihre Tierliebe, wären
da nicht die vielen wilden Hunde, die fotografiert werden wollten (?) und daher
ebenfalls ihre ungeteilte Aufmerksamkeit benötigten. (Es waren aber auch
wirklich süße Exemplare dabei. Ein Streichelverbot gab es trotzdem – bitte
keine Flöhe im Zimmer).
Sie stehen im wahrsten
Sinne des Wortes mitten im Leben – egal ob in der Metropole Yangon, im
ländlichen Bagan (wo dies natürlich nicht auf alle rd. 3400 Pagoden, die auf
einer 40qm großen Fläche zu finden sind, zutrifft) im quirligen Mandalay samt
den umliegenden Königsstädten oder auf dem Wasser des Inle Lake. Man trifft
sich dort am Wochenende mit der Familie und Freunden -– schon um zu beten, aber
ebenso um zu plaudern, zu picknicken oder – im Fall der Kinder – herum zu
toben. Und wenn sich dann noch die Frauengruppen, die anlässlich des Vollmond
Festes am Webwettbewerb für den schönsten Buddha-Umhang teilnehmen, vor den
extra in der Pagode aufgestellten Webstühlen einfinden, gibt es sowieso kein
Halten mehr.
Überhaupt – die Birmanen
sind ganz ordentliche 'Party-People' – der Buddhismus scheint hier viele Möglichkeiten zu bieten. Und wenn es gerade mal keinen religiösen Anlass gibt,
dann kann man immer noch zum 'Baloon Festival' an den Inle See fahren, dessen
Ausklang wir vor allem in Form einheimischer Reisegruppen, die nach dem
Festival noch die Hauptpagode des Sees besuchten, erlebten. Balons haben wir
leider keine mehr gesehen. Wahrscheinlich haben die – mehrheitlich
selbstgebastelten – Exemplare das Festival nicht überlebt. Die Zahl der 'Unfälle' ist hier wohl doch recht hoch. Selbstgebastelt sind übrigens
auch die Lautsprecher, die an Festtagen aus der Garage geholt und bevorzugt auf
Pick-up-Trucks geladen werden, um dann mit lauter Musik durch die Gegend zu
fahren.
Der Inle See ist aber
auch ohne Balons (und ohne Sonnenuntergang) beeindruckend. Gegen das Leben hier
scheint das Leben in Venedig etwas für 'Weicheier' zu sein, denn viele Orte
liegen wirklich auf dem See. Wenn man zum Nachbarn auf ein 'Schwätzchen' will,
muss man das Kanu hervorholen. Ohne Boot ist man schnell einsam.
Auf dem See schwimmen
unzählige Wasserhyazinten, Wasserlilien und riesige Tomatenfelder, die in
Wahrheit Inseln sind und dementsprechend vom Wasser aus bestellt werden.
Geliefert werden die Tomaten dann – nach händischer (!) Sortierung – bis nach
Mandalay und Yangon und zwar jeden Tag. Das ist deshalb beeindruckend, weil es
hier ja kein Schnellbahn- oder Autobahnsystem gibt. Mit dem Zug braucht man vom
See bis nach Mandalay rd 12 Stunden (es sind knapp 500 km). Die LKWs, die die
Tomaten über Nacht in die Stadt bringen, benötigen dafür 8 Stunden.
Unsere 'Eroberung' des
Sees fand übrigens ebenfalls mittels Boot statt. Eine angenehme Abwechslung zu
Fahrten in phantasievoll mit Polyesterpelz- oder Spitzenbezügen und
Duftfläschchen ('breeze') ausgestatteten Autos oder den zwar malerischen, aber
auch holprigen Ausflügen mit kleinen Kutschen, die von ebenso kleinen Pferden
gezogen wurden.
Die Boote sind 45 Meter
lang und bieten bis zu ebenso vielen Menschen Platz. Natürlich nur dann, wenn
man wie die Birmanen gewohnt ist, stundenlang in der Hocke auf dem Boden zu
sitzen. Für die ungeübten Touristen gibt es herrlich bequeme Holzsessel, auf
denen man sich den Wind um die Nase wehen lassen kann. Vorausgesetzt, das Boot
fährt, was es bei uns auf dem Weg zum Flughafen kurz nicht tat. Wir schaukelten
also etwas verloren auf dem See herum und überlegten schon, wie das Umladen
unseres nicht gerade kleinem Gepäcks auf dem See von statten gehen könnte
(ganz zu schweigen von uns selber), als Gott sei Dank ein Boot mit dem
passenden Ersatzteil stoppte.
Somit stand der Reise
zum letzten Stopp – eben eingangs erwähntem Strand nichts mehr im Wege.
Und da liegen wir nun
und lassen bei Strandspaziergängen und dem Bad im Badewannen warmen Meer die
Reise Revue passieren. Noch haben wir nicht entschieden, was uns am besten
gefallen hat: Stadtleben, riesige Shwedagon Pagode und Rooftop Bar in Yangon,
das rurale Bagan samt Dschungelbuch-Feeling und Flussfahrt, Mandalay und sein
Zauber – obwohl die Stadt noch so jung ist – oder der Inle See im stolzen Shan
Staat, wo immerhin mal eine Österreicherin Prinzessin war.
Womöglich muss man das
aber auch gar nicht entscheiden. Denn dieses Land, dass sich zwischen 3. Welt
und Aufbruchstimmung hin- und her bewegt, das so unglaublich vielseitig ist
und die Heimat so unglaublich freundlicher (vielleicht auch mal sympathisch
gaunerhafter) Menschen, kann man gar nicht klassifizieren.
Fest steht nur: für den
heutigen Sonnenuntergang sind wir gewappnet. Eine Flasche Sauvignon blanc vom
Red Mountain Estate am Inle See liegt in unserem Kühlschrank! Danach ist dann
immer noch Zeit für die Happy Hour!
Eure Barbara und Katja
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen