Up Close mit der Wiener Künstlerin Anny Wass zu ihrer Fotoserie
© Anny Wass |
Lisa: Hallo liebe Anny! Ich finde Deine Fotoserie wirklich großartig - erzähl doch mal, welche Entstehungsgeschichte steckt dahinter?
Anny: Die Serie ist letzten Oktober 2019 im Rahmen eines Residency Programms des Jigongshan Museums in der Provinz Henan in China entstanden. Ich wurde von der Kuratorin Alexandra Grimmer eingeladen, an einer Gruppenausstellung teilzunehmen und es gab auch die Möglichkeit direkt vor Ort in den Studios des Museums zu arbeiten. KünstlerInnen unterschiedlicher Herkunft fanden sich für zwei bis acht Wochen ein. Gemeinsam mit meinem Partner bin ich Ende September aufgebrochen. Im Endeffekt hatte ich ab dem Zeitpunkt unserer Ankunft in China noch zwei Wochen Zeit, meine Arbeit für die Ausstellung zu kreieren. Das war sehr spannend. Denn ich hatte gewisse Vorstellungen und Erwartungen an China und war fest entschlossen, den Eindrücken vor Ort nachzufühlen und mich davon inspirieren zu lassen.
Anny: Die Serie ist letzten Oktober 2019 im Rahmen eines Residency Programms des Jigongshan Museums in der Provinz Henan in China entstanden. Ich wurde von der Kuratorin Alexandra Grimmer eingeladen, an einer Gruppenausstellung teilzunehmen und es gab auch die Möglichkeit direkt vor Ort in den Studios des Museums zu arbeiten. KünstlerInnen unterschiedlicher Herkunft fanden sich für zwei bis acht Wochen ein. Gemeinsam mit meinem Partner bin ich Ende September aufgebrochen. Im Endeffekt hatte ich ab dem Zeitpunkt unserer Ankunft in China noch zwei Wochen Zeit, meine Arbeit für die Ausstellung zu kreieren. Das war sehr spannend. Denn ich hatte gewisse Vorstellungen und Erwartungen an China und war fest entschlossen, den Eindrücken vor Ort nachzufühlen und mich davon inspirieren zu lassen.
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A: Ja, richtig. Ich arbeite multimedial und meist mit Objekt, Malerei und Fotografie. Wobei mir stets die verwendeten Materialien und Bestandteile, die einzelnen Gestaltungselemente des großen Ganzen sehr wichtig sind. Fundstücke und Versatzstücke werden aus dem Kontext gerissen und erhalten neue Werte. Die fotografische Arbeit, in der ich mich selbst als Bildbausteine verwende, begleitet mich seit mehreren Jahren parallel zu meinen anderen Projekten. Zu Beginn arbeitete ich mittels Selbstauslöser und Mehrfachbelichtungen auf analogem Filmmaterial. Interessant dabei ist, dass ich sehr schnell zwischen meinem Dasein als Objekt und dem Dasein als Regisseurin/Fotografin hin und her wechsle. Das hat etwas Performatives und ist auch für Außenstehende lustig zu beobachten. Für mein Projekt in China habe ich mich entschlossen, mich nur mit Kamera und Stativ auf die Reise zu begeben und einfach mit dem zu arbeiten was ich vorfinde, beziehungsweise immer bei mir habe... Mich und den Raum, der mich umgibt. So kann ich sehr schnell und unkompliziert mit wenig Materialaufwand ganz lustige Situationen erschaffen und im Bild Geschichten erzählen, die mich beschäftigen. Ich beginne meist mit kleinen Zeichnungen zur Bildidee, dann suche ich mir ein Setting und warte ich auf die richtige Lichtstimmung. Die Kamera bekommt einen Standort und bei komplexeren Bildaufbauten mache ich mir noch ein paar Markierungen um die geplante Komposition einhalten zu können.
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A: Das ist interessant. Manche Dinge der derzeitigen Entwicklungen dürften schon im Herbst 2019 in der Luft gelegen haben. Meine Freunde nennen mich derzeit scherzhaft ' „Wasstradamus“ ☺ Es war sehr interessant dort anzukommen, mich sehr wohl zu fühlen in der Gemeinschaft und gleichzeitig auch die Isolation zu spüren, in der man sich eingefunden hat, weil man sich plötzlich nicht mehr so frei bewegen konnte. Wir hatten das Gefühl, stets wie kleine Kinder gut umsorgt zu sein aber auch unter Beobachtung zu stehen. Dass wir uns aber auch aus Solidarität zur Organisation und der Museumsdirektion an gewisse Regeln halten wollten, um nicht unnötig Schwierigkeiten zu verursachen, uns aber gleichzeitig auch nicht eingesperrt fühlen wollten. Das hat mich vor Ort sehr beschäftigt und das kommt meiner Meinung nach auch in der Fotoserie ganz gut rüber. Auch auf der einen Seite eine gute Zusammenarbeit und gute Stimmung unter den KünstlerInnen zu haben und auf der anderen Seite zu wissen dass jeder einzelne auch einen gewissen Druck hat, eine möglichst gute Arbeit für die Ausstellung abzuliefern. Sich gegenseitig zu helfen, aber gleichzeitig auch seinen eigenen Zeitplan nicht aus den Augen zu verlieren, das war sehr spannend und ist ein bisschen als ein politisches System im Kleinen zu sehen. Im Großen war es spürbar, dass in China die Solidarität, Gemeinschaft und der Zusammenhalt - Dieses „Wir sind Einheit!“ immer und überall sehr stark propagiert wird und daneben aber zu sehen, dass dann im echten Leben doch viele Bürger auf dem Lande auf sich allein gestellt zu sein schienen. Es ist ein politisches System, das von starken Dogmen lebt. Doch zurück ins Hier und Jetzt: Im Angesicht unserer momentanen Situation sehe ich auch die Chance, Dinge anders zu organisieren. Ich finde, wir alle sollten uns mehr darauf konzentrieren welchen Beitrag jeder Einzelne leisten kann um bessere und nachhaltigere Lebens- und Arbeitssituationen für sich und die folgenden Generationen zu gestalten. Meiner Meinung nach hat sich das System, in dem wir leben, selbst „ad absurdum“ geführt. Für mich kommen die derzeitigen Entwicklungen nicht sehr überraschend, es war nur eine Frage der Zeit. In die derzeitige Gesundheits- und Wirtschaftskrise spielt vieles hinein, was wir in unserer Gesellschaft schon lange anpacken und ändern hätten sollen.
L: Die KünstlerInnen und der Kunstbetrieb weichen momentan sehr stark auf das digitale Feld aus. In Deinen Foto-Arbeiten verrichtest Du als Protagonistin jedoch manuelle und durchaus auch traditionelle Arbeit. Kannst Du kurz ein Statement geben zum Thema Online/Offline aus Deiner künstlerischen Sicht?
A: Wir leben in interessanten Zeiten, in denen auch der traditionelle Begriff „Arbeit“ meiner Meinung nach neu definiert werden muss. Online birgt viele Möglichkeiten und auch Problematiken und vor allem ganz besonders viel Ablenkung. Ein großer Vorteil ist es unter anderem künstlerische Arbeiten über das Internet einem sehr viel breiteren Publikum zugänglich machen zu können und sich zu vernetzen und zu vermarkten. Die Problematik hinter der Selbstvermarktung als KünstlerIn ist die, dass man sich in einem Spannungsfeld befindet. Auf der einen Seite gibt es das althergebrachte traditionelle Bild des weltentkoppelten Künstlertypen, der sich in die Untiefen seiner eigenen Welt zurückzieht und wie besessen kreiert um dann alle heiligen Zeiten mit unangepassten und überraschenden Wahrheiten in Saus und Braus wieder zu Tage tritt. Das muss man sich erst einmal leisten können. Auf der anderen Seite aber wird von den meisten KünstlerInnen erwartet, dass sie neben ihrem unabhängigen, kreativen und im Idealfall zeitlosen Schaffen auch besonders gut in Selbstdarstellung, Selbstvermarktung, Kommunikation und Organisation sind. So empfinde ich das Künstlerdasein als Paradebeispiel des neuen Unternehmertums. Man muss alles unter einen Hut bringen. Genug finanzielle Mittel für Arbeitsräumlichkeiten, stets neue Ideen, ständig kreativ sein was die Präsentation, Dokumentation und Vermarktung angeht. Es wird einem definitiv nicht langweilig.
© Anny Wass |
L: Gibt es noch etwas, was Du loswerden magst?
A: Ich würde mich sehr freuen, wenn wir alle optimistisch bleiben könnten und den Mut finden, unsere Umgebung und die Welt, die uns umgibt, neu zu denken und aktiv mitzugestalten. Wir sollten darüber nachdenken, was jeder einzelne dazu beitragen kann und wie man mit Ressourcen sinnvoll umgeht. Was braucht man wirklich zum Leben und was würde ich der nächsten Generation, in meinem Fall meiner Tochter, wünschen? Muss die nächste Generation wirklich alle unsere Ideale erfüllen bzw. unsere Fehler wiederholen oder, noch schlimmer, alles ausbaden, was die Vorgenerationen zu müde waren, anzupacken ? Gibt es die Möglichkeit, auszubrechen? Gewohnheiten abzulegen? Nachdem wir jetzt bereit sind im Angesicht von COVID-19 so rigoros und solidarisch unsere Tagesabläufe und Gewohnheiten zu ändern, würde ich mir wünschen, dass diese Bereitschaft auf die eine oder andere Art auch in Anbetracht der Einhaltung unserer Klimaziele anwendbar sein wird.
L: Danke Dir sehr für das Interview!
A: Ich danke auch!
Anny Wass (36) ist Künstlerin und lebt und arbeitet in Wien. Lisa Ortner-Kreil (39) ist Kuratorin im Kunstforum Wien und lebt in St. Pölten.
www.kunstforumwien.at
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