Dienstag, 19. August 2014

Politik und Emotion. Wie viel davon verträgt die Kunst?

Es sind großformatige Bilder voll unglaublicher Positivität. Bunt, Hoffnung, Kinderspiele. Niemand verbindet diese Attribute mit einem Flüchtlingslager. Im Gegenteil: So viel Optimismus in einem Flüchtlingslager wirkt zynisch auf den ersten Blick. Warum ist das so?





Flüchtlingsproblematik: Problematik unterstrichen, Flüchtlinge vergessen. 


Medien brauchen Emotionen. Weinende Kinder verstärken Gefühle immer, im Fanblock der Fussballweltmeisterschaft oder in der Kriegsberichterstattung. In ihrer Unschuld potenzieren die Kinder die Möglichkeiten für mitleidserregende Darstellung. Der Imagefilm zum Projekt von Lukas M. Hüller und Hannes Seebacher verwendet klischeehaft übersteuerte Mediensprache und Traurigkeit, wie sie nur aus Kinderaugen sprechen kann. Die Bilder, die uns emotional abstumpfen lassen und die oft ein Ziel haben: „Angst zu schüren“, so Hannes Seebachers Meinung.
Es scheint als wollten die beiden Künstler die negative Bebilderung in die urkindliche Lebensfreude umkehren. Der Kontrast beinhaltet viel Positives wie beispielsweise den Baum als ikonografischen Hintergrund und Symbol der Hoffnung.
„Ein Künstler ist nicht per se da zu helfen.  Er soll Dinge in andere Bedeutungszusammenhänge bringen und etwas aufzeigen.“, erklärt Lukas Hüller. Das Duo macht Kunst zwar nicht, um besonders hoch in einem Ranking am Kunstmarkt zu sein, eine NGO seien sie aber auch nicht. EU-Förderungen könne man gut gebrauchen, doch man müsse Kunst und Politik trennen.

„Natürlich ist ein Künstler in seiner Wurzel politisch, doch es ist nicht die Aufgabe von Künstlern zu helfen. Wir können Aufmerksamkeit akquirieren, den Blick auf Brennpunkte richten. Es geht uns um Sinnstiftung.“


Zaatari Flüchtlingscamp und Alpbach  der Clash der aufeinander treffenden Welten könnte nicht größer sein. „Ich will ihnen keine gute Unterhaltung wünschen sondern eher einen Moment der Nachdenklichkeit.“, leitet Franz Fischler, Präsident des Europäischen Forum Alpbach die Vernissage ein.

„Wir haben das Glück Europäer zu sein und wir flüchten in die Welt der Menschen dort.“ Hannes Seebacher spricht von der Erde als geschlossenes System, das er mit dem Organismus des menschlichen Körpers vergleicht, wenn er sagt: Wenn dir der Zeh anfängt zu faulen, wird dich das auch interessieren. Die Flüchtlingsproblematik ist nicht Angelegenheit anderer Länder. Es geht uns alle etwas an.

„Die Männer sollen ihr Kriegsspielzeug weg legen! Die Politik sollte helfende Hände durch Gesetze knebeln. Es gibt Initiativen von Familien, die bereit wären, Flüchtlinge aufzunehmen. Die Umsetzung scheitert an der Gesetzmäßigkeit. Der Politik geht es bei der Aufnahme von Flüchtlingen nur um die Erfüllung der Quote. Das ist eine Sauerei!“ (antworten die beiden Künstler auf die Frage, welche Message sie haben an die politischen Entscheidungsträger wie sie hier auch beim Europäischen Forum Alpbach anzutreffen sind)

Auch hinter„Let the Children Play“ steht ein Gesetzestext. Die Initiative visualisert das Recht auf Freizeit, Spiel und Erholung in Artikel 31 der UN-Kinderrechtskonvention. Das eigentliche Projekt ist die prozesshafte Entstehung des Kunstwerks. Die Kinder sind nicht einfach abgelichtet worden und als anonyme Bilder in die Welt hinausgeschossen worden. Sie waren Teil des Projekts und bildeten so das Gesamtbild. Immerhin werden für so ein Gemälde 300-400 Einzelbilder zur gesamten Sequenz zusammengeführt.

„Wir sind die einzige Attraktion für die Kinder. Sie haben erwartet, dass wir bleiben um mit ihnen zu spielen. Das war der mehrheitliche Wunsch. Die große Sehnsucht dort sind Projekte der Beschäftigung und Motivation zur Schulbildung.“

Dass 80 000 Menschen in Zaatari leben macht einen sehr bewegenden Eindruck. Im Headquarter wurde Seebacher und Hüller die Struktur erklärt. Das Camp ist in Distrikte geteilt. Nummer 12 davon erkennt man an grünen Containern. Es ist ein alter Distrikt, was 2 Jahre alt heißt und bedeutet, dass das Lager irrsinnig schnell wächst. Die Leute warten dort schon auf die Künstler, als einen seltenen Kontakt zur Außenwelt. Wochenlange Workshops schaffen eine Bindung zu den Kindern und führen sie an den großen Tag des Fotoshootings heran. Der Baum, den sie auf dem Bild darstellen, steht  ist symbolisch für die Vorfreude der Kinder. Sein Samen ist das Spiel, das sie brauchen um die Frucht – Beruf, Heimat – zu ernten.  Nicht alle nahmen am Projekt teil. Die Kinder außerhalb des Zaunes begannen mit Steinen zu werfen, weil sie auch mitspielen wollten.  Sie wollten auf sich aufmerksam machen. Schließlich beschloss man, das Gate zu öffnen und die Kinder liefen hinein. Im Grunde geht es allen Kindern um das Spiel und das Dabeisein, egal ob in Zaatari oder in Alpbach.


Mehr über das Zaatari Flüchtlingscamp wird Kilian Kleinschmidt , der Teamleiter des Camps in der Diskussion mit Willibald Cernko, Christian Kern, Michael Landau und Rosa Lyon erzählen. 



(Juliane Fischer)

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