Montag, 29. September 2014

Ein Abend im Alten Rathaus


Normalerweise betritt man das Gebäude in der Wipplingerstraße 8, um schnöde Behörden- gänge zu erledigen, befindet sich doch im Erdgeschoss ein Bezirksamt. Interessanter wird es im ersten Stock, wo sich gleich neben dem Büro von Bezirksvorsteherin Ursula Stenzel ein prächtiger Barocksaal auftut.

In diesen altehrwürdigen Mauern findet nun monatlich der Bank Austria Salon statt. 
Ersonnen wurde diese neue Veranstaltungsreihe vom Vorstandsvorsitzenden Willibald Cernko und Wolfgang Lamprecht, Head of Corporate Communications des Kunstforum Wien. Zugrunde liegt die Idee, wechselnde Themen eingehend bearbeiten zu können, die zwar "keine Schlagzeilen abgeben" (so Cernko), dafür aber die Möglichkeit zu Tiefgang, Reflexion und nicht zuletzt guten Gesprächen im halb-privaten Rahmen bieten. Die erste Ausgabe am 25.9.2014 stand unter dem Motto "Gastlichkeit".


Der Maler Jürgen Messensee und Willibald Cernko, die mobile Gastlichkeit zieht ein, Florian Krumpöck 
 
© Oreste Schaller
Immer mitgedacht wurde von den Initiatoren natürlich die große Wiener Tradition solcher Zusammenkünfte. Alma Mahler-Werfel, Berta Zuckerkandl oder Fanny von Arnstein  sie alle blieben nicht zuletzt im Gedächtnis, weil sie mit ihren literarisch-musikalischen Salons zentrale Punkte im Gesellschaftsleben der Wiener Haute-Volée waren und so zu entscheidenden Unterstützerinnen vieler KünsterInnen und Geistesströmungen wurden.Viel mag sich seit dem Ende der Monarchie in Österreich geändert haben  doch die Zutaten für einen gelungen Salonrunde sind immer noch die gleichen geblieben: Spannende Gäste, gutes Essen, anregende Unterhaltungen und eben eine herzliche Gastgeberin.

Ein moderner Flügel im barocken Saal
© Oreste Schaller

Diese herzliche Gastgeberin impersonifizierte vergangenen Donnerstag die Moderatorin des Abends Johanna Zugmann. Die profilierte Journalistin und ausgebildete Gastrosophin (Gastrosophie  das ist die Lehre von den Freuden der Tafel) führte hochklug und souverän durch den Abend und ging gleich zu Beginn in medias res: 
Sie beleuchtete das Schlagwort des Abends von vielen Seiten und zeigte die Universalität des Begriffs "Gastlichkeit" auf: Wenn man, antroposophisch betrachtet, nur "Gast im Leben" ist, beinhaltet dieser Begriff dann nicht die Verpflichtung diesen Planeten rein zu halten, für die nächsten Besucher? 
Wenn es, wie von Immanuel Kant postuliert, ein Menschenrecht auf Hospitalität geben muss, haben wir dann nicht alle die Pflicht jeden in unserem Land aufzunehmen, sei er noch so arm? 
Wenn "Gastlichkeit" für höchsten Genuss bei Wort und Mahl steht, verpflichtet sie dann nicht zu höchster Behutsamkeit im Umgang mit geistigen und tatsächlichen Nahrungsmitteln?
Diese Fragestellungen erörterte Frau Zugmann im Anschluss an die einleitenden Worte (ihre und die von Willibald Cernko) mit dem Pianisten und Dirigenten Florian Krumpöck und dem Designer-Paar Ania Rosinke und Maciej Chmara. 
Johanna Zugmann, Ania Rosinke,
Florian Krumpöck, Maciej Chmara, Willibald Cernko
© Oreste Schaller
Die zwei jungen polnischen Gestalter, die unter dem Namen chmara.rosinke arbeiten, realisierten zuletzt ein Projekt, das schon für einiges Aufsehen geregt hat und zudem den Kern des Abends perfekt traf: Die beiden reisen durch die Weltgeschichte und laden auf offener Straße ihnen unbekannte Menschen zum gemeinsamen, selbst gekochten Abendessen ein. Immer dabei ist ein ganz besonderes, zu diesem Zweck entworfenes Vehikel: Ein von Rosinke und Chmara selbst konzipierter aufklappbarer Tisch mit Falthockern und integrierter Küche, der sich einfach verpacken und verschiffen lässt, bei Bedarf aber auch ganz schnell komplett neu gebaut werden kann. "Mobile Hospitality" heisst diese Kunst-Aktion für die die beiden zur Zeit mit Preisen und Residencies überhäuft werden. Im Grunde schenken sie ihren anonymen Tischgästen nichts anderes als ein wenig Zeit und ungeteilte Aufmerksamkeit. 
Aufmerksamkeit  das war eines der immer wiederkehrenden Schlagwörter während der Diskussion. Aufmerksamkeit, das ist die Essenz des Prinzips Gastfreundschaft, genau so wie zentraler Bestandteil eines klassischen Konzerts, so Pianist Florian Krumpöck, der den Abend durch drei musikalische Einlagen von Mozart, Schubert und Liszt ("Er war der größte Salonlöwe!") auflockerte. Heutzutage gäbe es kein Konzert, das nicht durch aufblitzende oder quäkende Smartphones gestört wird, so der Musiker. Sich auf eine Sache zu konzentrieren ist scheinbar zu einem Ding der Unmöglichkeit für große Teile der Menschheit geworden. 
Umso beeindruckender das gänzliche Fehlen von leuchtenden Bildschirmen während des gesamten Abends. Am Anfang störte noch ein kurzes Piepen die Veranstaltung  doch dann, wohltuende Stille und Fokussierung auf das Podium. Eine Wohltat für Ohren und Augen und ein kleiner Ausflug in eine etwas gastfreundlichere Welt.



Wer ebenfalls kurz in diese kleine Welt eintauchen will, dem sei der Besuch der Ausstellung "Private Room" von chmara.rosinke im Rahmen der Vienna Design Week empfohlen.
Oder der nächste Bank Austria Salon im Alten Rathaus
zum Thema "Entschleunigung" am 30. Oktober.

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