Der Bank
Austria Salon feierte letzten Donnerstag sein Zwei-Jahres-Jubiläum. Diskurswurzel
war diesmal der Gender-Begriff samt seinen hybriden Themenverästelungen Feminismus,
Karenz-Regelung, Gewalt an Frauen (und Männern) und ja, auch die Abtreibung.
Am Freitag
beschloss das polnische Parlament die Abtreibung gesetzlich und gänzlich zu
verbieten. Auf den Social-Media-Plattformen machte sich hauptsächlich Empörung
breit. Bilder der in schwarz gehüllten Gegenbewegung stiegen aus den Twitter-Blasen
auf, im Forum der Tageszeitung „Der Standard“ stand der Kommentar-Counter
letztlich bei 1080 Zählern. Dass dieses Thema stark polarisiert, konnte man
bereits am Vorabend im Alten Rathaus erahnen. Um sich dem Monolith Gender zu
nähern, waren Christine Bauer-Jelinek und Patrick Catuz geladen. Die Moderation
übernahm Bernhard Seyringer.
Christine
Bauer-Jelinek jüngste Publikation zum Thema „Der falsche Feind – Schuld sind
nicht die Männer“ beschäftigt sich mit derzeitigen gesellschaftlichen
Rollenbildern in wirtschaftlichen Führungsebenen. Catuz ist hingegen
Kulturarbeiter und ein Verfechter des feministischen Pornos, und publizierte
hierzu 2013 sein Buch „Feminismus fickt!: Perspektiven feministischer
Pornographie“.
Bereits hier
zeigt sich die große Zugangsbreite und Facettenvielfalt von Feminismus und
Gender. Sowohl höchste Führungskreise als auch ganz private Bereiche werden in
allen Spektralfarben der Pride-Fahne diskutiert. Insgesamt ist also definitiv
ein gesamtgesellschaftlicher Wandel festzustellen. Wenn die Musikerin St.
Vincent ein Leiberl mit dem Aufdruck „The Future is Female“ trägt, findet das erstens
natürlich viele AnhängerInnen in und außerhalb der Communities und provoziert andererseits
natürlich stark. Und das sogar im eh gut gebildeten Milieu des lässigen
Großstädters.
Dass die Gleichstellung der Frau und
die Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen absolut
notwendig und erstrebenswert sind, wird von beinahe allen befürwortet. Solche
Prints haben allerdings wenig mit Gleichstellung zu tun. Sie beweisen, dass dieses
Pendel, das tausende von Jahren Richtung Männlichkeit und Patriarchat
ausschlug, sich nur langsam Richtung der gleichberechtigten Mitte bewegt und
eben manchmal darüber hinausschlägt. Die Provokation dient hier nur der Beschleunigung der Bewegung gen Mitte, die leider immer noch nicht erreicht
scheint. Bauer-Jelinek sieht diese jahrelang eingebürgerten Gewohnheiten auch in
Führungsschichten. Die gläsernen Decken, also unsichtbare Grenzen, die Frauen
daran hindern in die Unternehmensführung aufzusteigen, werden derzeit noch
nicht durchbrochen. Sie erklärt dies dadurch, dass Frauen effektiv erst seit
ca. 40 Jahren studieren und diese Generation erst jetzt an den Sesseln der Unternehmensführung
sägen kann. Das Patriarchat wurde nun mal seit der Steinzeit aufgebaut und kann
nicht in ein paar Hundert Jahren gekippt werden. Allerdings sieht Bauer-Jelinek
ein enormes Potential bei den heutigen Frauen. Diese besitzen das notwendige
Hierarchieverständnis, die Konkurrenzbereitschaft und natürlich ein
außerordentliches Maß an Frustrationstoleranz. Für das Durchbrechen dieser Decken
ist laut Bauer-Jelinek keine Quotenregelungen notwendig, sondern lediglich nur noch
etwas Sitzfleisch.
Catuz sieht
die nur leicht angekratzten gläsernen Decken in der Porno-Industrie relativ tiefhängend.
Regie und Kameraarbeit zu leisten wird den Frauen dort immer noch enorm
erschwert. Vor allem im Mainstream-Porno fungieren Frauen immer noch lediglich
als Lustspiegelung der Männer. Dass sich Porno und Feminismus auch nicht immer
verträgt, zeigte sich beispielsweise Anfang der 1980er-Jahre. Da führten die
Debatten und der Diskurs zwischen sexpositiven und antipornografischen
Feministinnen in den USA zum Ende des Second-Wave-Feminismus. Auch die hiesige
Gallionsfigur Alice Schwarzer lehnt Pornografie strikt ab. So weit, so diversifiziert
die Meinungen.
Irgendwie
ist Vaterschaftskarenz immer noch gesellschaftlich nicht wirklich etabliert. Catcalling,
Rabenmuttervorwürfe, Quotenregelungen in Politik und bei Musik-Festivals sind
alles Meinungsgeneratoren, die der enormen Themenzersplitterung noch
zusätzlich zusetzen.
Bei einem
waren sich die Experten allerdings einig. Und zwar, dass vor dem Hintergrund
der Flüchtlingsthematik noch erschwerend hinzukommt, dass wir uns nicht nur
noch intensiver mit Feminismus selbst auseinandersetzen müssen, sondern mit
einer gesamtgesellschaftlichen Veränderung. Die größte Emotion des Abends
erzeugte deswegen auch die Publikumsfrage, inwiefern denn nun Islam und Feminismus
vereinbart werden können. Die entstandenen Fragezeichen wollten an diesem Abend
nicht wirklich verschwinden und am nächsten Tag lediglich durch Stirnrunzeln
und Kopfschütteln beim Blick in die Zeitung und Richtung Polens Entscheidung
abgelöst werden.
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