Mittwoch, 5. August 2020

„Der Mond, den ich draußen gesehen habe, ist dann auf dem Papier gelandet...“

Up Close mit Béatrice Dreux


Die österreichisch-französische Malerin Béatrice Dreux gibt im Gespräch mit der Kuratorin Lisa Ortner-Kreil Einblicke in ihre künstlerische Arbeit und Erfahrungen der letzten Monate – und einen Literaturtipp.



Béatrice Dreux



Lisa Ortner-Kreil (L): Wie haben sich die letzten Wochen und Monate in Deiner künstlerischen Produktion niedergeschlagen?


Béatrice Dreux (B): Ich habe mich mit Freund und Kind im März in ein Haus am Land begeben, durch diesen Umzug hat sich viel verändert. Wir waren sehr viel draußen, das Rausgehen, die Natur, das war eine ganz andere Situation als in Wien. Es hat sich eine Ruhe eingestellt, der Tag hat länger gedauert, ich konnte mich viel besser konzentrieren. Nur mehr der Mond, der Himmel ohne Flugzeuge. Wir haben Pflanzen und Vögel beobachtet. In dieser Zeit habe ich mich viel mit der österreichischen Schriftstellerin Marlen Haushofer beschäftigt. In Zusammenhang mit meiner Malerei war das eine spezielle Situation. Haushofer schreibt darüber, wie sie durch den Bezug zur Natur auch ein Stück persönlicher Freiheit erlangt. Das ist ei

ne feministische Position, aber eine ganz zurückgezogene und eigenständige.


L: Was hast Du gemalt?


B: Ich hab die Bäume und den Mond gemalt. Normalerweise gehe ich nicht vom Außen aus für meine Kunst, sondern nur vom Inneren. Dieses Mal war es aber beides. Der Mond, den ich draußen gesehen hab, ist dann auf dem Papier gelandet. Die Natur hat wirklich einen starken Einfluss ausgeübt. In Zusammenhang mit der Literatur hat mich das wahnsinnig fasziniert. Ich frag mich, warum es so eine Art von Literatur so schwer hat.



Béatrice Dreux


L: „Die Wand“ von Marlen Haushofer –  in dem Buch beschreibt sie die Situation einer Frau, die sich plötzlich abgeschieden von der Außenwelt im Wald hinter einer unsichtbaren, mysteriösen Wand wiederfindet. „Die Wand“ kann für die soziale Isolation, in die wir uns begeben mussten, stehen. Viele Menschen haben in dieser Zeit auch ein Zurück zur Natur, hin zu einem schlichteren Leben, ein Leben ohne Uhr, mit der Natur erlebt. Ein Zurückfinden zu einem Selbst, während man in der „normalen“ Hektik des Alltags so abgelenkt und entkoppelt ist.


B: Ja, das tut der Arbeit auch nicht gut. Wenn man sich wenig nach außen wendet, ist das für mich besser. Dieses „Ich, Ich, Ich“, das ist für mich kontraproduktiv. Insofern ist Marlen Haushofer auch wichtig für mich. Diese Stärke, sich so zurück zu nehmen, fasziniert mich. Wenn die Malerei oder das Werk wichtiger wird als die Person dahinter – das vermisse ich so sehr. Und dann auch wie schwer sich die Gesellschaft damit tut.


L: Haushofer forciert einen phänomenologischen Blick auf die Dinge, ein genaues Hinschauen auf die Details.


B: Genau, da gibt es so viele Beispiele, auch in der Malerei. Hilma af Klint zum Beispiel. Es geht darum, wie kann Kunst frei bleiben? Durch diese Sensibilität, diese Zwischentöne, die machen dann große Freiheiten im Denken möglich. Auch dieses österreichische, diese andere Form von Feminismus, der unverstanden ist bis heute. Haushofer hinterfragt alles, die Beziehung zu ihrem Mann, ihren Kindern, zur Natur.



Béatrice Dreux


L: Viele Bücher sind in der Corona-Phase die ganze Zeit aufgetaucht, „Die Pest“ von Albert Camus zum Beispiel. Ich hab auch sofort Haushofers „Die Wand“ denken müssen, interessanter Weise ist das aber nicht so im großen Stil besprochen worden. Umso schöner finde ich, dass Du jetzt erzählst, dass da so eine intensive Auseinandersetzung passiert ist und Du da auch Parallelen zwischen ihrem literarischen und Deinem bildnerischen Werk orten kannst. (...) Kommen wir zum Prozess Deiner Bildfindungen. Du verwendest für Deine Bilder viel Schwarz, aber auch sehr kräftige Farben, Neon-Farben. Das ist alles in Schichten aufgebaut, das scheint mir ein sehr langer Prozess zu sein, wie Du zu Deinen Bildern gelangst.


B: Ja, das ist ein langer, meditativer Prozess. Es braucht viel, viel Zeit. Das sind viele Schichten, die erzeugt werden wollen. Die Farbigkeit ist sehr ähnlich, seit ich denken kann. Das Schwarz kommt immer mal wieder vor, das hat etwas reinigendes für mich. Die Farben kommen von hinten und von den Seiten wieder rein. Das vibriert richtig. Meine Motive sind archaisch, Tränen, Regentropfen, Regenbogen, Oktopussys, Wolken, so kommt das von einem zum anderen, ein komplexes Thema löst sich immer mehr auf. Der Mond, den ich da vom Land aus gesehen hab, ist momentan sehr wichtig. Rot und Pink sind immer geblieben. Die Oberfläche, das Glitter, um unterschiedliche Oberflächen reinzukriegen. Momentan wird auch der Halbmond wichtig, der erinnert wieder an die Meere. Eines kommt zum anderen. Meine Motive sind Urmotive. Mich interessiert die Einfachheit der Sprache in der Malerei.


L: Béatrice, ich danke Dir für den Einblick in Deine Arbeit, den Du uns gewährt hast.



Béatrice Dreux von Maria Ziegelböck


Das Interview, woraus hier nur ein Auszug zu lesen ist, fand am 6. Juli 2020 im Atelier von Béatrice Dreux in Wien statt.




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