Am Sonntag waren 120 Flüchtlinge aus dem Asyl-Quartier in Wien-Schwechat zu Gast im
Kunstforum Wien. Menschen, die permanent der Ungewissheit ins Auge schauen,
hatten mal kurz Zeit um durchzuatmen.
(c) Alistair Fuller |
Wer sich am Haupt- bzw. Westbahnhof oder den
Sachspenden-Sammelstellen mit den freiwilligen Helfern unterhält, dem wird eines
schnell klar: Die gespendete Zeit – sei es, um mit den Kindern zu spielen
oder im Gespräch mit den Jugendlichen und Erwachsenen deren Problemen offene Ohren zu
schenken – ist ein wichtiges, soziales Schmiermittel. Ohne Verständnis, Empathie und Einfühlungsvermögen sind Herausforderungen, wie die derzeitige, schier nicht zu bewältigen.
Das
erkannte auch das Kunstforum Wien und entschied sich dafür, Kindern ein bisschen die
Langeweile zu nehmen und Erwachsenen – zumindest für ein paar Stunden – den freien Blick
auf die Sorgen zu verstellen. Da im Haus zwar entsprechendes kunsthistorisches Know-How
vorhanden ist, sich die Expertise bezüglich Flüchtlingsthematik aber auf die
allgemeinen, öffentlich zugänglichen Informationen beschränkte, entschied man
sich, gemeinsame Sache mit den Kinderfreunden Österreichs – einem erfahrenen Partner – zu machen.
Die
Interessenvertretung betreibt unter anderem in Traiskirchen ein wöchentlich-rollierendes
Unterhaltungsangebot für Kinder und Erwachsene, nutzt die Parkgarage am
Westbahnhof für unterstützende Tätigkeiten zwischen und ist einfach generell
ein potenter Wissensträger, wenn es darum geht, Kindern eine gute Zeit zu
bereiten.
(c) Alistair Fuller |
Die größte Anziehungskraft übte dann aber doch erst mal das Buffet aus. Mit dem Hunger verschwand dann auch die Schüchternheit. An den aufgebauten Stationen wurden Buttons gebastelt, gezeichnet, Körper bemalt und Drucke fabriziert. Die derzeit ausgestellten, knallig-bunten Fix- und Foxi Tableaus an den Wänden bestellten eine Szenerie, die passender nicht sein hätte können und erleichterten den Kids den Umbau des Museums Richtung Spielwiese.
Erklärtes Beschäftigungshighlight fand sich dann in einem zweckentfremdeten Rollcontainer, in dem sich die Kids durch die Ausstellungsräume gondelten.
Als die ersten
Findigen dann noch den Beschallungs-Laptop entdeckten, verwandelte sich das Haus endgültig in eine große Youtube-Party. Anstatt des Potemkinschen Dorfes, das nur der eigenen Nabelschau dient, pflasterte man im Kunstforum Wien also lieber ein Fundament aus Zwischenmenschlichkeiten.
(c) Alistair Fuller |
Nachdem
sich alle gegenseitig bedankten und daran machten, im Gänsemarsch das Kunstforum
zu verlassen, scherte beiläufig ein ca. 16-Jähriger aus der Reihe und schenkte einem der Übersetzer sein aus Papier gebasteltes Häuschen.
Der bedankte sich – sichtlich gerührt von der Geste – bevor sie ein letztes mal einklatschten und anschließend ihre Nummern austauschten.
Zeitungen und Newsfeeds überschütten uns
derzeit mit beängstigenden Meldungen. Traurig auch, dass dieses Spiel mit der Furcht
der Menschen anscheinend bereits erfolgreich instrumentalisiert wird. Dabei
besteht der vielversprechendste Zugang zur Bewältigung von Ängsten wohl darin, sie
zuzulassen und sich ihnen zu stellen.
Emotionen gab es Sonntags im Kunstforum Wien viele. Eine konnte ich jedoch nicht erspüren: Angst.
Emotionen gab es Sonntags im Kunstforum Wien viele. Eine konnte ich jedoch nicht erspüren: Angst.
(c) Alistair Fuller |
Der Eingangs erwähnte Zyklus Prousts endet mit den zwei Romanbänden im Titel. Die Geschichte der Kinder, die da zu uns kommen, hat soeben erst begonnen.
Die Aktion wurde mit freundlicher Unterstützung der Bank Austria ermöglicht.
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