Dienstag, 27. Oktober 2015

The Sound Of Silence

Am 22. Oktober 2015 fand der elfte Bank Austria Salon zum Thema Stille statt.

Gregor Ulrich Henkckel-Donnersmarck, Günter Kaindlsdorfer, Lukas Meschik

Zu Gast waren diesmal der Alt-Abt des Stiftes Heiligenkreuz Gregor Ulrich Henkckel-Donnersmarck und der Jungautor Lukas Meschik. Die Moderationsagenden übernahm der Journalist, Autor und Kritiker Günter Kaindlsdorfer. Prädestinierter könnten Gäste kaum sein, wenn es darum geht, mit dem Oxymoron, das Reden über Stille nun mal ist, auf Tuchfühlung zu gehen. Zum einen, weil Donnersmarck sich seit Jahrzehnten – sei es im Rahmen der Exerzitien oder einfach nur aufgrund persönlich-kontemplativer Motivation – sich der Stille bemächtigt. Zum anderen, weil Meschiks bisheriges Werk halt schon konzentrische Kreise um den Themenschwerpunkt „Stille“ zeichnet: Sein Debüt „Und Jetzt Die Sirenen“ bzw. sein zuletzt erschienener Roman „Luzidin Oder Die Stille” tragen das Rauschen und die Ruhe bereits im Titel. Beide Redner also Profis, wenn es ums Leisesein geht.
 
Anton Kolarik


In der vollkommenen Stille, hört man die ganze Welt

Das Zitat des Berliners Kurt Tucholskys war die erste Referenz, die zu Beginn des Abends fiel. Um das Referenzgeflecht nach Wien zu spannen, durfte dann natürlich auch Ludwig Wittgensteins Aphorismus, der dem Schlusssatz des Tractaticus entstammt, nicht fehlen: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“ Die Gruppe Tocotronic sollte Jahre später eben jenen Sinnspruch aufgreifen: Worüber man nicht singen kann, darüber sollte man erst recht schweigen. Die wohl wichtigste und wertvollste Funktion des Innehaltens und der damit einhergehenden Stille ist wohl – und hier gingen beide Redner d’accord – dass sie uns dazu anhält hinzuhören und uns selbst zu erkennen. Am schönsten bringt das wohl dieses eine Gleichnis des Einsiedler-Mönches und des Wanderers auf den Punkt: Auf die Frage des Wanderers, warum sich der Mönch in die Einsamkeit zurückzieht, hält dieser den Wanderer an, aus einem Brunnen Wasser zu schöpfen. Im Anschluss daran soll er auf den Grund des Brunnen sehen und ihm, also dem Mönch, berichten was er sehe. „Nichts“, die Antwort des Wanderers. Etwas später fordert ihn der Mönch erneut auf, in die Zisterne zu schauen. Das durch das Schöpfen aufgewirbelte Wasser hatte sich beruhigt und der Wanderer antwortete nun: „Jetzt erkenne ich mich selbst“.


And the people bowed and prayed / To the neon god they made

Ruhe erfordert aber auch ein starkes Maß an Willenskraft und Konzentration: Sie will bewusst eingefordert werden. Die ständige Noise-Pollution, egal ob im Fahrstuhlsaufzug durch James Last, durch permanent über unsere Köpfe hinwegbrausenden Flugzeuge oder die Apres-Ski-Berieselung auf dem doch nicht so abgelegenen Berggipfel – es scheint immer schwieriger, diese Orte des Rückzuges und der Stille zu finden. Mit den stetigen Fingerbewegungen über die glatten Oberflächen unserer Telefone wischen wir zudem immer öfter unsere Aufmerksamkeit weg von uns selbst, hinein in die Blasen der sozialen Medien. Das Netz um uns wird immer enger und die Leistungsgesellschaft befeuert und befürwortet eine ständige Erreichbarkeit. Ständig und immer mit allem verbunden sein – nur halt nicht mit unseren Gefühlen.


Doch gibt es sie natürlich noch, die Orte der Stille. Dass man nicht immer gleich ins Kloster muss,  um dem Lärm der Welt zu entfliehen, wissen alle, die beispielsweise einmal durch den Lainzer Tiergarten spaziert sind. Stille und Kontemplation müssen heutzutage pro-aktiver und ja, auch mutiger, denn je eingefordert werden. Mit dem wachsenden Grundrauschen ist es nur menschlich, wenn auch das Verlangen nach Ruhe erstarkt. Im Song „Es Geht Immer Um’s Vollenden“ bricht das der Nino aus Wien schon schön und richtig auf den echten gemeinsamen Nenner runter: „Aber irgendwann ist Stille und Du wirst Dich nach Dir sehnen“.


Text: Christoph Kranebitter

Fotos: Oreste Schaller

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