Montag, 21. September 2015

Salon Nr. 10: Der Gabalier und die Helligkeit


Der Bank Austria Salon im alten Rathaus geht nach der Sommerpause in die nächste Runde. Zum Mini-Jubiläum der 10. Ausgabe übernahm die Salon-erfahrene Isolde Charim die Moderationsagenden und Bank Austria Vorstandsvorsitzender Willibald Cernko gab den Gastgeber.


Diesmal durften sich die bildende Künstlerin und Autorin Elke Silvia Krystufek sowie der neue, designierte Direktor des Wien Museums Matti Bunzl am weit gegriffenen Themenblock „Tabu“ abarbeiten.
Das traf sich ganz gut. Zum einen, weil Krystufek im Rahmen der Biennale in Venedig nackte Männer zeigte und den „Austria“-Schriftzug durch das Wort „Tabu“ ersetzte und Bunzl mit Publikationen rund um die Themenkreise Judentum, Antisemitismus und Islamophobie den anthropologischen Zugang legte. Passend auch, weil in Österreich – Wien im speziellen – der Umgang mit Tabus und das Brechen eben jener, bereits Tradition hat: Sei es nun der aggressive Tabubruch des Wiener Aktionismus oder jene Werke Elfriede Jelineks, die sich dezidiert mit dem Erkennen und Überschreiten von politischen, moralischen und religiösen Tabus beschäftigen. Es gibt sie hier also, die Tabukultur.


Matti Bunzl, Isolde Charim, Elke Silvia Krystufek, Willibald Cernko
Das Wort selbst stamme eigentlich aus dem polynesischen, führte Krystufek sanft in das Thema ein. Bunzl ergänzte um die Freudsche Definition der „heiligen Scheu“ (wieder Wien, eh klar). Diese besagt, dass ein Tabu immer ambivalent sei: Ein Teil, der über dem Menschen liegt und ein Teil, der als abstoßend empfunden wird. Ein Tabu übt also immer auch eine gewisse Anziehung auf den Menschen aus – der Tabubruch lockt mit Befreiung. Bloß: Ein nur um des Schockierens willens begangener Tabubruch erzeugt häufig nur heiße Luft – er ist plump und öffnet die Gesellschaft, die sich angeekelt abwendet, nur bedingt. Damit so ein Tabubruch richtig geil wird, muss er schon Mehrwert generieren – für einen selbst oder für Teile der Gesellschaft.

In der Kunst ist der Tabubruch in einer komprimierten Postmoderne nur mehr bedingt möglich, so Bunzl. Nur der Künstler selbst lebt als Katharsis den Tabubruch und das ständig. Krystufek findet, hier herrsche beinahe eine Oktroyierung seitens des Kunstbetriebes an die Künstler – nur wer Tabus bricht, ist interessant und wird gekauft.

Auch Tabus in der Sprache wurden thematisiert. Im Judentum ist die Erwähnung des Namens Gottes tabu, in Amerika ändert das ausgesprochene N-Wort schlagartig die Grundfarbe einer jeden Unterhaltung. Political Correctness ist für Bunzl eine Sprache zur Regulierung von Tabus und somit absolut notwendig. Wenn Andreas Gabalier die Hymne singt und mal eben so ein ganzes Geschlecht ausspart, ist das zwar ein Tabubruch, aber halt ein negativer. Anstatt des Mehrwerts in der Gesellschaft häuft es sich im Schlagerstar-Geldbörserl des zünftigen Steirers und seiner PR-Leute.

Am Schluss durfte der gefüllte Barocksaalbauch des alten Rathauses dann auch noch selbst Zeuge eines Tabubruchs werden: Krystufek nutzte die Gelegenheit und fragte Bunzl, ob sie bei ihm ausstellen dürfe. Der nonchalante Bunzl gab amüsiert zu bedenken, er sei ja noch nicht wirklich Direktor, werde sich das aber ansehen. Die Leute applaudierten. 


Die Wortspenden des Publikums waren zahlreich und fielen teilweise auch kritisch aus. Das Thema bewegte und zwar bis weit nach der Erledigung des Buffets. Für einen Salon eigentlich ein gutes Zeichen. Wenn alle einer Meinung sind, herrscht eh Stillstand. Und ja: Tabus entstehen als Folge gesellschaftlicher Regelwerke. Diese unterliegen nun mal fortlaufender Änderung und generieren somit ständig neue Tabus. Das ist gut. Eine Gesellschaft ohne Tabus ist nämlich tot. Eine Gesellschaft ohne Tabubruch erst recht.




Der nächste Salon zum Thema "Stille" findet am 22. Oktober statt. 

Text: Christoph Kranebitter
Fotos: Oreste Schaller
   

1 Kommentar:

  1. Brechen wir ein Tabu und verbieten die kontra-demokratischen Parteien FPOe, BZOe...

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