Donnerstag, 17. Dezember 2015

Pop Up Konzert mit Lea Santee

Da hatten die Selbstportraits der russischen Avantgardisten, die im Rahmen der Ausstellung „Liebe in Zeiten der Revolution“ derzeit an den Wänden des Kunstforum Wiens hängen, echt etwas zu schauen gestern. Anstatt Russendisko schlug sich der intermediale Zugang in Form des Pop-Duos Lea Santee nieder, die ein intimes weihnachtliches Set inmitten der Künstlerpaare der Oktoberrevolution spielten.



Dostojewski nahm für seinen Charakter des Idioten unter anderem die Figur des Don Quijote als Vorlage. So wie auch der Ritter von der traurigen Gestalt nicht im Einklang mit sich und der Welt per se war, strebten auch die Russen im ersten Jahrhunderdtrittel nach einer idealistischen Umwälzung: Gleichberechtigung der Geschlechter, Akzeptanz von Homosexualität und legale Scheidungen wurden damals (1917/1918) als fundamentale Grundpfeiler auserkoren. Ähnlich wie im Poststrukturalismus wurden die bis dato als realitätsabbildenden Geschlechterrollen aufgebrochen. Männlich muss nicht immer stark, weiblich nicht immer schwach sein. Auch das herrschende Bild des Künstlers, den im dunklen Kämmerlein die Muse küsst, wurde aufgeweicht, Gemeinschaft und Gemeinsamkeit entsprechend radikalisiert und ausgeweitet. 


Auch der Kunstbegriff selbst wurde weiter interdisziplinarisiert. Bildende Kunst, Literatur und Musik nicht mehr als getrennte Arbeitsbereiche empfunden, sondern als hybrides Blätterwerk, das den Output abfedert. Insofern scheint es nicht wirklich verwunderlich, dass sich das Kunstforum Wien ein Künstlerpaar in das Haus holt. Das Tiroler Duo, schmirgelt immerhin bereits seit mehreren Jahren an ihrem Ideenkonglomerat bestehend aus Pop, Elektronik und R’n’B. Die Songs sind dabei von derartig hohem Ausarbeitungsgrad, dass sie den internationalen Vergleich nie scheuen müssen. Das beweist auch der Sound-Cloud-Account. Dort gehen die Zählerstande bereits auf die 300.000 zu.




Nach den einleitenden Worten der Kuratorin Heike Eipeldauer enterten dann auch gleich Lea Santee die Bühne, die derzeit von den rayonistischen, kubo-futuristischen und suprematistischen Werken Rodtschenkos und Stepanowas flankiert wird. Zwecks Druckweitergabe wurde die traute Zweisamkeit Live um einen Drummer erweitert. Hätten die Ausstellungstableaus bereits Staub angesetzt, der eröffnende Schlag auf die Basedrum hätte diesen wohl sofort auf die Freyung geblasen. Eingetaucht von rotem Licht präsentierte die fragile Frontfrau mit der stabilen Stimme samt Anhang ihren extensiven Begriff von Pop. In einer dreiviertel Stunde wurde alles was Santees elektronische Kompositionen so spannend macht durchdekliniert: Flächige Synths gemischt mit Loops und Breaks, die sich direkt auf die Synapsen legen. Auch ein Frank Ocean Cover, das Lea fast an die Grenzen ihrer stimmlichen Komfortzone brachte, wurde abgeliefert. Das raumfüllende Publikum, das wie in einem überfüllten Auditorium an den Raumwänden Spalier stand, forderte dann auch noch die obligatorische Zugabe und wurde mit dem Berserker Hopeless erhört. Nachher gab’s dann auch noch Bier. Da hab’ ich glaub ich, etwas zu euphorisch zugelangt – Aber sei’s drum. Ist ja schließlich fast schon Weihnachten. Und in dieser omnipräsenten Hektik, tut halt auch ein wenig Realitätsflucht mal gut. Danke also, an das Kunstforum Wien, das hierfür gestern jedenfalls die Möglichkeit gestellt hat.


Text und Idee: Christoph Kranebitter
Fotos: Alistair Fuller

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