Es sind großformatige Bilder voll
unglaublicher Positivität. Bunt, Hoffnung, Kinderspiele. Niemand verbindet
diese Attribute mit einem Flüchtlingslager. Im Gegenteil: So viel Optimismus in
einem Flüchtlingslager wirkt zynisch auf den ersten Blick. Warum ist das so?
Flüchtlingsproblematik: Problematik unterstrichen, Flüchtlinge vergessen.
Medien brauchen Emotionen. Weinende Kinder verstärken Gefühle immer, im Fanblock der Fussballweltmeisterschaft oder in der Kriegsberichterstattung. In ihrer Unschuld potenzieren die Kinder die Möglichkeiten für mitleidserregende Darstellung. Der Imagefilm zum Projekt von Lukas M. Hüller und Hannes Seebacher verwendet klischeehaft übersteuerte Mediensprache und Traurigkeit, wie sie nur aus Kinderaugen sprechen kann. Die Bilder, die uns emotional abstumpfen lassen und die oft ein Ziel haben: „Angst zu schüren“, so Hannes Seebachers Meinung.
Es scheint als wollten die
beiden Künstler die negative Bebilderung in die urkindliche Lebensfreude
umkehren. Der Kontrast beinhaltet viel Positives wie beispielsweise den Baum
als ikonografischen Hintergrund und Symbol der Hoffnung.
„Ein Künstler ist nicht
per se da zu helfen. Er soll Dinge in
andere Bedeutungszusammenhänge bringen und etwas aufzeigen.“, erklärt Lukas
Hüller. Das Duo macht Kunst zwar nicht, um besonders hoch in einem Ranking am
Kunstmarkt zu sein, eine NGO seien sie aber auch nicht. EU-Förderungen könne
man gut gebrauchen, doch man müsse Kunst und Politik trennen.
„Natürlich ist ein Künstler in seiner Wurzel
politisch, doch es ist nicht die Aufgabe von Künstlern zu helfen. Wir können
Aufmerksamkeit akquirieren, den Blick auf Brennpunkte richten. Es geht uns um
Sinnstiftung.“
Zaatari Flüchtlingscamp und Alpbach – der
Clash der aufeinander treffenden Welten könnte nicht größer sein. „Ich will
ihnen keine gute Unterhaltung wünschen sondern eher einen Moment der
Nachdenklichkeit.“, leitet Franz Fischler, Präsident des Europäischen Forum
Alpbach die Vernissage ein.
„Wir haben das Glück Europäer zu sein und wir
flüchten in die Welt der Menschen dort.“ Hannes Seebacher spricht von der
Erde als geschlossenes System, das er mit dem Organismus des menschlichen
Körpers vergleicht, wenn er sagt: Wenn dir der Zeh anfängt zu faulen, wird dich
das auch interessieren. Die Flüchtlingsproblematik ist nicht Angelegenheit
anderer Länder. Es geht uns alle etwas an.
„Die Männer sollen ihr Kriegsspielzeug weg
legen! Die Politik sollte helfende Hände durch Gesetze knebeln. Es gibt
Initiativen von Familien, die bereit wären, Flüchtlinge aufzunehmen. Die
Umsetzung scheitert an der Gesetzmäßigkeit. Der Politik geht es bei der
Aufnahme von Flüchtlingen nur um die Erfüllung der Quote. Das ist eine
Sauerei!“ (antworten die beiden Künstler auf die Frage, welche Message sie
haben an die politischen Entscheidungsträger wie sie hier auch beim
Europäischen Forum Alpbach anzutreffen sind)
Auch hinter„Let the Children Play“ steht ein
Gesetzestext. Die Initiative visualisert das Recht auf Freizeit, Spiel und
Erholung in Artikel 31 der UN-Kinderrechtskonvention. Das eigentliche Projekt
ist die prozesshafte Entstehung des Kunstwerks. Die Kinder sind nicht einfach
abgelichtet worden und als anonyme Bilder in die Welt hinausgeschossen worden.
Sie waren Teil des Projekts und bildeten so das Gesamtbild. Immerhin werden für
so ein Gemälde 300-400 Einzelbilder zur gesamten Sequenz zusammengeführt.
„Wir sind die einzige Attraktion für die
Kinder. Sie haben erwartet, dass wir bleiben um mit ihnen zu spielen. Das war
der mehrheitliche Wunsch. Die große Sehnsucht dort sind Projekte der
Beschäftigung und Motivation zur Schulbildung.“
Dass 80 000 Menschen in Zaatari leben macht einen
sehr bewegenden Eindruck. Im Headquarter wurde Seebacher und Hüller die
Struktur erklärt. Das Camp ist in Distrikte geteilt. Nummer 12 davon erkennt
man an grünen Containern. Es ist ein alter Distrikt, was 2 Jahre alt heißt und
bedeutet, dass das Lager irrsinnig schnell wächst. Die Leute warten dort schon
auf die Künstler, als einen seltenen Kontakt zur Außenwelt. Wochenlange
Workshops schaffen eine Bindung zu den Kindern und führen sie an den großen Tag
des Fotoshootings heran. Der Baum, den sie auf dem Bild darstellen, steht ist symbolisch für die Vorfreude der Kinder. Sein
Samen ist das Spiel, das sie brauchen um die Frucht – Beruf, Heimat – zu
ernten. Nicht alle nahmen am Projekt
teil. Die Kinder außerhalb des Zaunes begannen mit Steinen zu werfen, weil sie
auch mitspielen wollten. Sie wollten auf
sich aufmerksam machen. Schließlich beschloss man, das Gate zu öffnen und die
Kinder liefen hinein. Im Grunde geht es allen Kindern um das Spiel und das
Dabeisein, egal ob in Zaatari oder in Alpbach.
Mehr über das Zaatari Flüchtlingscamp wird
Kilian Kleinschmidt , der Teamleiter des Camps in der Diskussion mit Willibald Cernko, Christian Kern, Michael Landau und Rosa Lyon
erzählen.
(Juliane Fischer)
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