Mittwoch, 27. August 2014

Seitenweise Krieg und Frieden


Zum Literaturgespräch: "Kriege und Bürgerkriege im Spiegel der aktuellen Weltliteratur"


Sigrid Löffler ist vor allem durch ihre Rolle beim Literarischen Quartett bekannt. Sie sitzt hier in Alpbach nur im Trio, nämlich  zwischen zwei Schriftstellern,  die beide literarisch mit zwei Brennpunktregionen aufwarten: Irak und Tschetschenien.

Anstatt Schusswechsel zu skizzieren, versuchen Anthony Marra und Najem Wali den Alltag der Zivilisten unter der Last des Krieges zu schultern.


Anthony Marra, Sigrid Löffler, Najem Wali  © Luiza Puiu
„Ich wollte keine Kriegsnovelle schreiben, ich wollte schauen, was das Gegenteil von Soldaten auf diesem Spielfeld ist – so kam ich auf die Lazarettärzte und den Schauplatz Krankenhaus.“, so Marra. Seine Protagonisten versuchen simple am Leben zu bleiben. Den nächsten Tag zu erreichen, ist das einzige Ziel. Sie haben kein Interesse am Krieg, sondern keine Wahl. Mit samt ihrem täglichen Leben werden sie in den Konflikt und in Marras Roman gestoßen. Der Krieg dreht alles in Not um. Um den Kontrast zu schärfen wandelt der Autor  einen der Protagonisten vom Schönheitschirurgen, der nur Nasen richten konnte zum Menschretter. Er hilft Verwundeten auf beiden Seiten des Kampfes. Das Schlüsselwort lautet Menschlichkeit und wie man sie aufrecht erhält in Zeiten des Krieges.

Die Utopie vom neuen alten Irak

Darum dreht es sich auch bei Najem Walis Büchern. Er beschreibt den Irak als ein Land, der mit einer Vielfalt an Religionen und ethnischen Gruppen durchzogen ist. Einst gab es eine Zeit des friedlichen Zusammenspiels zwischen diesen unterschiedlichen Gruppen. Wala: „Nein, ich beschreibe keine Nostalgie. Ich versuche zu beschreiben, wie es möglich gewesen wäre.“ Utopie also.  Um jetzt von einem neuen Irak zu reden, muss man wissen, wie der Irak vorher war. Walla sieht es als seine Aufgabe gegen das Vergessen anzuschreiben: „Wenn ich die Leute zum Erinnern bringe, hilft das den Leuten das Land aufzubauen.“
Was bei Anthony das Spital ist, ist bei Walli die Bar: „Muslime dürfen keine Bar besitzen, aber sie trinken Alkohol. Die Rollen sind so verteilt: Die Christen besitzen die Bar, die Moslems trinken. Wenn sie trinken, dann sind sie einig.  Das ist eine Heimatalternative.“

Die Rolle der Literatur

Literaturgespräch Foto: Luiza Puiu
Auch das Trio am Podium ist sich einig: Literarische Erzählungen unterscheiden sich von Medienberichten und journalistischen Texten. Die verzweifelten Opfer, weinende Kinder, Explosionen - Egal ob aus Gaza, Mossul: Es sind die selben stereotypischen Bilder. Literatur kann und soll nicht mit diesen Bildern nicht wetteifern. Ihre Aufgabe ist es,  den Leser dazu zu bringen, sich mit der Figur zu identifizieren. Literatur kann an die versteckten Motive hinter den Kriegen erinnern. - Was ist die Geschichte? Wie entwickelte sich die Situation? Welche Menschen sind verstrickt, stecken dahinter? Die Literatur muss die Nähe wieder herstellen. Wirklich erzählbar ist das Inferno eines Krieges ohnehin nicht. Was ein betroffener Mensch in den Moment erlebt kann man sich gar nicht vorstellen. Dabei gibt es keinen Unterschied zwischen  dem ersten Weltkrieg, dem Krieg jetzt in Gaza oder dem in der Ukraine. 


Barbara Coudenhove-Kalergi © Luiza Puiu



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